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Habsburg ist überall... Vorbemerkung



Großes  Wappen des Landes Baden-Württemberg mit rot-weiß-rotem Schild (rechts oben) vor dem Basler Hof in Freiburgs Kaiser-Joseph-Straße.... Auf den Spuren einer berühmten Dynastie – in acht Tagen 800 Jahre
(Kultur-)Geschichte der Habsburger.

Eine Reise auf der Europäischen Kulturstraße der VIA Habsburg von Hubert Matt-Willmatt / Autor und Heinz Linke / Fotograf.


Vorbemerkung Erinnerungskultur
Jedes Jahr wird in Bad Ischl die Parade mit Darstellern in Originalkostümen wiederholt, die an die Sommerfrische des Kaisers Franz Joseph (1830 – 1916) mit seiner ‚Sisi’ erinnert. Tausende Besucher versetzen sich, nostalgisch kostümiert, in die glorreichen Tage der k.u.k. Monarchie zurück, deren Ende sich vor genau 100 Jahren mit dem zuvor erfolgten Attentat auf Erzherzog Franz Johann und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 anbahnte. Bis ins unsere Zeit hinein, denkt man nur an den Zerfall des Staates Jugoslawien und die nationalstaatlichen Entwicklungen auf dem Balkan, reichen die Nachwirkungen der Doppelmonarchie.

Ruhiger und versteckter liegen die ‚Erinnerungsorte’ der Habsburger in den fünf Regionen des Elsass, des Breisgaus / Schwarzwalds, des Hochrheins / Aargaus, des Bodensees / Oberschwabens und Vorarlbergs / Tirols, die sich verteilt auf vier Länder in Frankreich, Deutschland, Schweiz und Österreich befinden. Sie decken weitgehend das Gebiet des ehemaligen ‚Vorderösterreich’ ab.
75 Orte und Städte haben sich seit 1992 im Verein ‚Auf den Spuren der Habsburger’ zusammen geschlossen, um das noch sichtbare Erbe der Dynastie in ihrer touristische Vermarktung eines qualitativ anspruchvollen Kulturtourismus darzustellen.

Im Vordergrund steht nicht das nostalgische Interesse an vergangenen dynastischen Herrschaftsformen oder gar die Verklärung einer ‚guten‘ alten Zeit, die beileibe auch nicht von Not und kriegerischen Auseinandersetzungen frei war, sondern die Anregung zu einer grenzüberschreitenden Entdeckung der eigenen und unter den Habsburgern eben gemeinsamen Geschichte dieser heutzutage in vier Staaten aufgeteilten Region.

Die VIA Habsburg wurde 2014 vom Europarat zur 29. Europäischen Kulturstraße ernannt und ist damit zu einem interkulturell verbindenden Element und einem Modell europäischer Einheit in der (jeweiligen staatlichen) Vielfalt geworden.

Von 996 bis 1815 waren die Habsburger die entscheidende und prägende Macht in Mitteleuropa – sie schufen in ihrer Blütezeit ein Reich, in dem die Sonne niemals unterging.
Rund 150 Sehenswürdigkeiten lassen sich entlang der 425 km langen VIA Habsburg entdecken: Burgen und andere Gebäude, Gedenksteine, Wappen an Stadttoren, Denkmäler, Statuen, Grablegen…
Doch man muss bei der Entdeckung der Erinnerungsorte schon genauer hinsehen, so wie beim sog. großen Wappen von Baden-Württemberg, das ein rot-weiß-rotes Schild aufweist und damit an die österreichische Zeit erinnert.

Etwas eint die Regionen unbestritten: Die österreichische Küche! Zahlreiche Rezepte gingen in die Kochkunst der französisch-elsässischen, schweizerischen und badischen Küche ein, die nicht zuletzt deshalb zur besten in den jeweiligen Ländern gehört. Man denke an den Tafelspitz / gekochtes Ochsenfleisch mit Kren / Meerrettichsoße, die zahlreichen Eiergerichte und vor allem die Mehlspeisen: Pfannkuchen, Nudeln, (Spätzle – Knepfle)…, doch auch (Mohn-) Schupfnudeln (Buebespitzle), Dampfnudeln oder Knödel fanden den Weg nach Vorderösterreich und überdauerten alle Zeitläufe. Sicherlich wurden in der Region immer schon die Innereien gegessen, doch ‚saure Leberle’ in einer Mehlschwitze und das ‚Wiener Schnitzel’ lassen ihre Herkunft nicht vergessen. Und erst die Nachtische: Apfelstrudel, Sachertorte, Kaiserschmarrn..
In manchen Sprachen wie selbst dem Polnischen findet man die Bezeichnungen für bestimmte Fleischpartien und Gerichte (Tiroler Kalbsleber, Salatka à la Gundel, Omlette…), so in dem Buch ‚ck kuchina‘ des humorvollen polnischen Fernsehmoderators Robert Maklowicz (Wydawnictwo Znak, Krakow, 2002), das er mir mit den Worten „Es leben der Kaiser“ widmete…
(Vgl. Ingrid Pernkopf, Alexander Höss-Knakal, Österreichische Mehlspeisen - 250 Rezepte für alle Jahreszeiten, Pichler Verlag, erscheint am 4. Okt. 2016)


Und Köche aus Österreich wurden aktuell z.B. im Schwarzwald sternebekränzt, so Peter Hagen im Ammolite Lighthouse Restaurant im EuropaPark oder Paul Stradner im legendären Brenners Parkhotel in Baden-Baden. (Vgl. Hubert Matt-Willmatt, Die gute Küche am Oberrhein, Edition Ariovist, Silberburg Verlag, 2016 mit Fotos von Heinz Linke).
Nicht zuletzt verweisen Gasthofnamen und – schilder auf die ehemalige österreichische Zeit, kehrt man doch manchmal in einem ‚Adler’ ein….

Den Begriff der ‚Erinnerungsorte’ (lieux de mémoire) hat der französische Historiker Pierre Nora bei der Untersuchung der kollektiven Identität seiner Landsleute mit ihrer Geschichte geprägt. An den oft symbolisch besetzten Erinnerungsorten (die Orte nicht nur im geografischen Sinne, sondern auch Ereignisse, Personen, Kunstwerke…sein können) konzentriere sich das kollektive Interesse eines Volkes oder einer sozialen Gruppe, was sich in einer bestimmten Erinnerungskultur niederschlage. Diese Kultur ist eher emotional geprägt und wandelt sich im Ablauf der an Fakten ausgerichteten ‚objektiven’ Geschichtsschreibung.

Es ist sicherlich schwierig, in der im 20. Jahrhundert von zwei verheerenden (Welt-)Kriegen geprägten europäischen Geschichte mehr als 1000 Jahre zurück und damit auf einen 800 Jahre dauernden und von der Habsburger-Dynastie geprägten Zeitabschnitt zurückzublicken. Zumindest problematisiert werden kann in diesem Zusammenhang die Frage, ob die dagegen relativ kurze Zeit der Nationalstaaten mit ihren dadurch grenz-bedingten kriegerisch-konflikthaften Auseinandersetzungen historisch gesehen einen Fortschritt darstellen. (Vgl. alleine für das deutsch-französische Verhältnis und damit badisch-elsässische Verhältnis: Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg e.V., Region und Grenze – Die Bedeutung der Grenze für die Geschichte Südbadens in der Zwischenkriegszeit, Freiburg, 2013).
Das deutsch-französische Verhältnis hat Pascal Hugues in ihrem Buch über ihre beiden Colmarer Großmütter Marthe & Mathilde (Rowohlt, 2008) authentisch beschrieben.

Nicht nur in Österreich feierte man 1996 die vor Tausend Jahren erfolgte erstmalige Erwähnung ‚ostarrichi’ mit (Wander-)Ausstellungen und kulturellen Veranstaltungen.
Manko einer habsburgischen Erinnerungskultur ist nicht zuletzt das Fehlen eines über den historischen Zeitraums durchgängigen Zentrums: Denn Freiburg, Baden, Ensisheim, Innsbruck, Bludenz, Konstanz… bildeten im zersplitterten Herrschaftsbereich jeweils nur temporäre Zentren der Macht. (Vgl. das leider nicht ganz fehlerfreie Buch von Christoph Döbeli u.a., Die Habsburger zwischen Rhein und Donau, Aarau 1996 und den umfangreichen Ausstellungskatalog, Hrsg. Württembergisches Landesmuseum Stuttgart, Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers?, Stuttgart, 1999)

Im Hinblick auf die Utopie eines in Frieden geeinten Europas kann dieser Blick über aktuelle Staatsgrenzen hinweg und vor allem direkt vor die regionale Haustüre zu überraschenden historischen Selbst-Entdeckungen und damit vielleicht zu einer Neu(er)findung einer Erinnerungskultur an die Habsburger werden.

Wie steht es so schön geschrieben in den Wagen der Basler Straßenbahn, die nun ins elsässische St. Louis fahren: „Setzen Sie sich. Über Grenzen hinweg.“

Reisestationen
Selbstverständlich konnten nicht alle Orte in acht Tagen besucht werden, die Auswahl richtete sich nach recht subjektiven Kriterien, um eine bunte Mischung aus größeren und kleineren Städten und Ortschaften, aber auch einzelnen historischen Bauwerken zu erhalten.
„Fahren Sie. Über Grenzen hinweg.“ (Alle Orte sind auch mit dem ÖPNV erreichbar!)





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