Erster Tag: Ensisheim, Ottmarsheim, Thann, Ferrette
Von den Zentren der vorderösterreichischen Macht
ENSISHEIM
Office de Tourisme d’Ensisheim, 6,place de l’eglise 71, F – 68500 Ensisheim, + 33 (0) 3 89264954, musee@ville-ensisheim.fr, www.ville-ensisheim.fr
Von wegen... ein Reich, in dem die Sonne niemals untergeht... es schüttet, was der Himmel hergibt, als wir in Freiburg losfahren....
Von 1363 bis 1411 war das beschauliche Ensisheim sogar die Hauptstadt der Habsburger Gebiete und über lange Jahre der Verwaltungssitz Vorderösterreichs. Von 1523 bis 1648 war die Stadt direkt Innsbruck unterstellt, welch eine Entfernung in der damaligen Zeit!
In knapp einer Stunde sind wir mit dem Auto auf einen kostenfreien und sehr zentrumsnahen Parkplatz eingebogen – es schüttet immer noch.
Das freundliche Lächeln von Emilie verscheucht die letzten Regentropfen – die ersten Sonnenstrahlen gehen an ihrem Arbeitsplatz auf. Dieser ist das
sichtbare Überbleibsel der Habsburgerzeit – das mächtige Verwaltungsgebäude ‚Hôtel de la Régence’, in dem sich das ‚Musée de la Régence’ befindet. (Führungen auf Anfrage auch auf Deutsch). Darin ist ein Bergbau- und Archäologisches Museum untergebracht.
Ein erster Blickfang hinter ihrem Rücken ist allerdings ein gewaltiger Brocken in einer Glasvitrine. Es handelt sich um den Meteoriten, der am 07. November 1492 in der Nähe der heutigen Kreuzung der D 201 und der D 471 niederging. 150 kg wog der Gruß aus dem All, von dem grammweise Stücke in 150 Museen der ganzen Welt verstreut untergebracht wurden. Der graue Klumpen ist der erste dokumentierte Fund eines Meteoriten. Jules Verne ließ sich durch ihn zu seinem Werk ‚La chasse au météore’ inspirieren. Eine besondere Attraktion ist die Meteoriten-Börse, bei der am dritten Wochenende im Juni Sammler von weither anreisen.
In einer weiteren Vitrine sind zahlreiche Münzen der Habsburger zu sehen, die in dem heute nicht mehr bestehenden Münzhaus geprägt wurden.
Über eine beeindruckend geschwungene Treppe gelangt man in den ehemaligen Gerichtssaal in eine große gotische Halle, die zwischen 1535 und 1547 ihre Gestalt erhielt. Welche Gedanken mögen wohl den damaligen Deliquenten durch den Kopf gegangen sein, wenn sie diese Stufen empor schritten? Sicherlich hatten die meisten keinen Blick für die raffiniert gebaute Treppe übrig – wir schon.... Da wo über Mord und Totschlag verhandelt wurde, finden heute Veranstaltungen aller Art statt: Konzerte, Vorträge, Versammlungen von Vereinen, Kinderprogramm..., die alle im Veranstaltungskalender auf der Homepage vermerkt sind.
Im Advent zieht sich vom Kirchplatz bis in den Saal hinauf immer der Weihnachtsmarkt.
Das Gebäude zierten einst die Statuen von Kaisern an der Außenfassade (vgl. Kaufhaus in Freiburg), diese wurden aber während der Französischen Revolution zerstört.
Erst 1900 ließ Jakob Sautier sein Denkmal des grimmig dreinschauenden Rudolfs I neben der Kirche aufstellen. Im deutschen Kaiserreich, zu dem Ensisheim ja damals gehörte, ein symbolhaltiges und ‚machtvolles’ Zeichen....In der St. Martinskirche ist ebenso der immer noch in deutscher Sprache erhaltene Kreuzweg zu bestaunen.
Wir unternehmen einen kleinen Spaziergang durch die engen Gassen und entlang der Ill, des wegen seines reichhaltigen Blumenschmucks hoch dekorierte Ensisheim. Seit einiger Zeit gibt es aber auch Führungen historischer Art mit dem Fahrrad, doch das machen wir ein andermal...
OTTMARSHEIM
ARAO, Ass. pour le Rayonnement de l’Abbatial d’Ottmarsheim, 20, rue Géneral de Gaulle, F – 68490 Ottmarsheim, + 33 (0) 3 89262757, tourisme@ottmarsheim.fr, www.ottmarsheim.fr / www.voix-romane.com
Der Regen lässt nach – das durch den Rheinhafen mit Gewerbesteuer gut bedachte Ottmarsheim, hat noch einen anderen Schatz aufzuweisen!
Gestiftet durch Rudolf von Habsburg wurde dort eine Benediktinerabtei 1049 Peter und Paul geweiht. Das als Oktogon konzipierte Gebäude hatte Karls des Großen Kapelle von Aachen und auch dessen Machtstellung im Blick - die Habsburger wollten so berühmt und mächtig werden wie der große Karl, was sie auch schafften.
Und in der Nähe des Rheins haben sie sich dazu ein Denkmal errichtet. Rudolfs Bruder Radbot erbaute Muri, ebenfalls als ein Oktogon.
Von der Kirche geht eine seltsame Ruhe und Klarheit aus, was mit ihrer Architektur und den benutzten Maßen zusammenhängt!
Die Klosterkirche besitzt eine Höhe und einen Durchmesser von 20 m, die Höhe der Galerie und der Durchmesser der Kuppel betragen 10 m.
Im Innern strahlt eine fast überirdische Ruhe und Ausgewogenheit auf die Besucher. Die hervorragende Akustik des Raumes wird für Konzerte genutzt, dies seit fast 25 Jahren auch beim spätsommerlichen Festival ‚Voix et Route Romane.’ Normalerweise darf man aus Sicherheitsgründen nicht auf den Rundgang der Empore, aber Céline schließt kurzerhand ihr Büro ab und die verschlossene Tür zum Emporenaufgang auf.
Und von hier oben sehen wir es ganz genau: 1875 konnte man übermalte Wandbilder offen legen, die seitdem behutsam restauriert wurden, sie zeigen u.a. die beiden Brüder und ihren Vater Lanzelin.
Rudolf soll 1503 hier beigesetzt worden sein – Grabdenkmäler wurden an den Seitenwänden aufgestellt.
Rudolf und seine Kunigunde sowie die erste Ordensfrau Agnès de Dormentz werden aber bei historischen Kostümführungen wieder zum Leben erweckt, so auch am 17. + 18. September 2016.
Ein kleiner, aber eindrücklicher und authentischer Weihnachtsmarkt, der auch mit Célines Wirken für Ottmarsheim zu tun hat, findet immer am zweiten Wochenende im Dezember auf dem Kirchplatz statt – dort gibt’s warmen Apfelmost und handwerklich hergestelltes Bier – ganz im Gegensatz zum idyllisch gelegenen ‚Salon de Thé Etape Romane’ (www.etaperomane.fr). Wie uns der freundliche garcon mitteilt, darf im Salon wegen der Nähe zum heiligen Ort kein Alkohol ausgeschenkt werden; der Kuchen, der leckere Kaffee und der Mittagstisch sind jedoch sehr zu empfehlen.
THANN
Office de Tourisme de Thann-Cernay, 7, rue de la 1ère Armée, F – 68800 Thann, + 33 (0) 3 89379620, thann@hautes-vosges-alsace.fr,, www.hautes-vosges-alsace.fr
Hat man den riesigen Industrieklotz hinter sich, überragt die St. Theobaldskirche (St.Thiebaut) das Städtchen mit seinen 8000 Einwohnern schon von Weitem, sodass es nicht verwunderlich ist, dass die Thanner meinen, der Straßburger Münsterturm sei der höchste, der Freiburger der größte, aber der Thanner wohl der schönste!
2016 jährt sich zudem zum 500. Mal die Fertigstellung des 78 m hohen Turms, dessen Bau 1516 vom Basler Architekten Rémy Faesch fertiggestellt wurde.
Isabelle erzählt uns die wundersame Legende vom heiligen Theobald und den drei Tannen, von denen Thann auch seinen Namen hat.
Vor seinem Tod vermachte Theobald seinem Diener einen Ring. Als er verstorben war, wollte der Diener den Ring abstreifen und riss dabei den ganzen Finger ab – er versteckte die Reliquie und machte sich auf den Weg in seine lothringische Heimat. Als er sich in der Gegend des heutigen Thann zum Schlafen niederlegte, hatte sein Pilgerstab über Nacht Wurzeln geschlagen. Der Graf von Ferrette sah von seiner Engelsburg herunter drei Lichter leuchten und gelobte, an dieser Stelle eine Kapelle errichten zu lassen, die zu einer Wallfahrtskirche und 1287 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde.
Jedes Jahr am 30. Juni werden im Angedenken an dieses Ereignis auf dem Rathausplatz drei Tannen verbrannt – der Asche schreibt man schützende Wirkung zu! Eine Statue des Heiligen befindet sich in der Kirche - im Westportal und im Gewölbe sieht man die Habsburger Wappen. Tanne und Habsburger Wappen sind durch Anordnung des Habsburgers Maximilian 1498 zum Stadtwappen geworden, was bis heute Bestand hat.
Als Gründung der Grafen von Pfirt / Ferrette kam die Stadt 1324 an die Habsburger, 1648 wurde sie französisch. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts kam es zu zahlreichen Hexenprozessen, die vermeintlichen Hexen wurden im Hexenturm eingesperrt.
Isabelle geht ohne Furcht mit uns zum Turm... hinab. Im Untergeschoss befindet sich heute ein Museum zur Darstellung der Weinberggeologie, das für Fachleute sicherlich sehr interessant ist. Wo früher unschuldige Frauen litten, ist eine eine Wohnung eingerichtet, wer mag da wohl wohnen?
Wer sich in den Weinbergen des Rangen (seit 1983 Grand Cru) vergnügen möchte, kann dies auf drei Weinlehrpfaden von zwei bis fünf Kilometern Länge tun oder sich auf den Weg der Elsässischen Weinstraße machen, die genau hier ihren Startpunkt besitzt. An die Aufseher in den Weinbergen erinnern die alten Bannwarthäuschen, Theobald der Bannwart führt interessierte Besucher gerne durch die Stadt und Flur und führt in die Geschichte der Einrichtung ein, die seit 1483 existiert
Mit dem Hexenauge hat die Engelburg, die 1324 ebenfalls habsburgisch wurde, bei ihrer Zerstörung durch Ludwig XIV eine besondere Attraktion bekommen!
Im Museum, der ehemaligen Kornhalle, befinden sich auf drei Stockwerken zahlreiche Gegenstände, von Apostelfiguren aus dem 13. Jahrhundert bis zu Plakaten aus der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg - und auch ein Relief vom Besuch des Marschalls Joffre nach dem Ersten Weltkrieg. Thann war eine der ersten wieder französisch gewordenen Städte – um den Preis zahlreicher Bombardierungen durch deutsche Truppen. Joffre versprach bei seinem Besuch am 24. November 1914 den Elsässern: „Votre retour est definitif. Vous êtes Francais pour toujours. La France vous apporte… le respect de vos libertés à vous, des libertés alsaciennes, de vos traditions, de vos convictions, de vos moeurs…” Die Klassifizierung der Elsässer in vier Kategorien, eine Politik der Zentralisation und Säuberungen mit Ausweisungen begleiteten dann aber eine verordnete Assimilierung, in der zuerst alle Orts- und Familiennamen französiert wurden - 1940 ‚wiederholte’ sich die Geschichte indem alles ‚Welsche’ getilgt werden sollte… und ab 1945…. Die weitere Geschichte ist bekannt!
Goethes Werther und seine unglückliche Liebe ist ein Klassiker der deutschen Literatur – das weibliche Vorbild zu seinem Briefroman, Charlotte Buff (1753 – 1828) heiratete Jean-Christian Kestner, deren Sohn Carl 1808 in Thann die weltweit erste chemische Fabrik errichtete – die Nachfolgeunternehmen erheben sich am Eingang der Stadt unübersehbar.
FERRETTE
(Office de Tourisme du Sundgau, 30, rue Charles de Gaulle, F - 68130 Altkirch // 3 A route de Lucelle, F – 68480 Ferrette, + 33 (0) 3 89400290, + 33 (0) 89087272, + 33 (0) 6 07 87 82 49, info@sundgau-sudalsace.fr, www.sundgau-sudalsace.fr
Die Burg über Ferrette ist Heimat von Johanna Pfirth / Jeanne de Ferrette, die 1324 zur Frau von Albrecht II, Herzog von Österreich / Habsburg wurde. Die heutige Herrin über Ferrette und den Tourismus im Sundgau ist aber Monika, die selbst aus einem ehemaligen Zipfel des riesigen Habsburgerreichs stammt! Und jetzt scheint die Sonne zum Abschluss des Tages richtig!
Durch den Westfälischen Frieden gelangte der französische König 1648 in den Besitz der Burg und schenkte sie seinem Minister, Kardinal Mazarin. Da ein Grimaldi eine Erbin der Familie Mazarin heiratete, ist der Fürst von Monacco unter anderem, auch Graf von Ferrette. Das kleine Städtchen mit der sehr steilen Straße den Burgberg hinauf, hat jedoch keine Spielbank und keien Yachthafen. Ab und an zieht es die Fürstenfamilie jedoch ins Elsass, vor allem um in Vieux-Ferrette den wunderbaren Käse von Meister Antony, Bernard und Jean-Francois zu verkosten. Die alle aus Rohmilchkäse gereiften Köstlichkeiten sind einen Umweg wert, aber auch ihr Geld...
Leider haben wir keine Zeit ein E-Bike zu leihen, um eine Tour zu machen, doch Heinz joggt den Burgberg hinauf – die Sonne verspricht schöne Fotomotive.
Auf Bike-Touren kann man das Musée paysanne in Oltingue oder das Feuerwehrmuseum in Vieux-Ferrette besuchen.
Zu unserer ersten Übernachtungsgelegenheit geleitet uns die Besitzerin der Gîtes la Maison des fontaines – tollles Ambiente. Fast wäre sie von ihren netzbestrümpften Beinen gefallen, als wir ihr sagten, dass wir morgen um 7.00 Uhr das Frühstück einnehmen wollen – Basel wartet.
Vor dem Schlafengehen empfängt uns das Restaurant Collin mit tollem Abendessen, Heinz wie immer vegetarisch und ich die hier unvermeidlichen und leckeren ‚carpe frite!....